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Otto Weddigen

Aus U-Boot-Archiv Wiki

OTTO WEDDIGEN

Otto Weddigen wurde 1882 im ostwestfälischen Herford als elftes und jüngstes Kind eines Leinenfabrikanten geboren. Die Firma Weberei Weddigen besteht bis heute. Die weitverzweigte Familie gehörte zu den angesehensten des Ravensberger Landes und hat über mehrere Generationen u. a. evangelische Geistliche, Wissenschaftler, Schriftsteller und Kaufleute hervorgebracht. Weddigen besuchte von 1890 bis 1901 das Friedrichs-Gymnasium in seiner Heimatstadt, um anschließend als Offizieranwärter in die Kaiserliche Marine einzutreten. Im Gegensatz zum nach wie vor vom preußischen Adel dominierten Kaiserlichen Heer bot die Marine ehrgeizigen jungen Männern aus dem Bürgertum durchaus Aufstiegschancen. 1902 wurde er zum Fähnrich zur See und 1904 zum Leutnant zur See befördert. Im Mai 1906 wurde Weddigen zum Ostasiengeschwader, welches in der damals deutschen Kolonie Tsingtau in China stationiert war, versetzt. Er wurde Wachoffizier auf dem Flusskanonenboot VATERLAND, auf dem er am sog. Chinafeldzug teilnahm. Er wurde zum Oberleutnant zur See befördert. 1907 diente er als Wachoffizier auf dem Flusskanonenboot TIGER.

Nach Deutschland zurückgekehrt, kam Weddigen im Oktober 1908 zur U-Boot-Waffe. Diese befand sich gerade im Aufbau. Von April 1909 bis September 1910 fuhr er auf SMS U 1, SMS U 2 und SMS U 4 als Wachoffizier. Dann erhielt er mit SMS U 4 sein erstes eigenes Kommando. Während des nächsten Jahres kommandierte er zeitweise auch SMS U 3 und SMS U 5, bevor er am 01.10.1911 Kommandant von SMS U 9 wurde. SMS U 9 gehörte zu dieser Zeit zu den neuesten Booten. Am 25.04.1912 wurde Weddigen zum Kapitänleutnant befördert. Wenige Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs lief Weddigen mit SMS U 9 und neun weiteren Unterseebooten von Helgoland zum ersten Einsatz aus. Diese erste Kriegshandlung durch deutsche U-Boote überhaupt misslang. Zwei Boote gingen verloren und SMS U 9 musste, angeschlagen und mit technischen Problemen, in die Kaiserliche Werft Wilhelmshaven zurückkehren. Die wochenlange Ruhezeit nutzte Otto Weddigen zur Eheschließung mit einer Jugendfreundin. Am 20.09.1914 lief SMS U 9 über den Marinestützpunkt Helgoland zu einer Aufklärungsfahrt in Richtung Westen aus. In den Morgenstunden des 22.09.1914 wurden ca. 50 km nördlich von Hoek van Holland drei britische Kriegsschiffe, die in Kiellinie liefen, gesichtet. Es gelang Weddigen die drei technisch veralteten britischen Panzerkreuzer ABOUKIR, HOGUE und CRESSY nacheinander in nur 75 Minuten zu versenken. Nach dem Bericht des Kommandanten der CRESSY, Bertram W.L. Nicholson, hatte ein Beobachtungsposten auf der ABOUKIR offenbar das Periskop von SMS U 9 für ein Stück Treibholz gehalten. Ein Zufallstreffer in das Waffenmagazin der CRESSY löste eine gewaltige Explosion und Chaos an Bord des britischen Schiffes aus. Bei der zu Hilfe eilenden CRESSY kam erschwerend hinzu, dass die Besatzung nahezu ausschließlich aus kampfunerprobten Reservisten bestand. Dass neben militärischen Fähigkeiten auch eine große Portion Glück bei der für die Deutschen erfolgreichen Aktion im Spiel gewesen ist, gibt Weddigen in einem später verfassten Bericht unumwunden zu und hebt deutlich die Tapferkeit der gegnerischen Soldaten hervor. Etwa 1.500 Mitglieder der britischen Besatzungen verloren dabei ihr Leben. 800 Überlebende wurden, u. a. von einem britischen Fischerboot und den niederländischen Passagierdampfern Flora und Titan, geborgen. SMS U 9 gelang, trotz Verfolgung durch britische Schiffe, unbeschadet die Rückkehr nach Helgoland. Anschließend wurde es in Wilhelmshaven triumphal empfangen. Otto Weddigen wurde von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung als Kriegsheld gefeiert.

Das Versenken von drei gegnerischen Schiffen innerhalb kürzester Zeit etablierte U-Boote als Mittel der Kriegsführung. Für die deutsche U-Boot-Waffe war es ein bis dahin nicht für möglich gehaltener Erfolg. Otto Weddigen wurde von Kaiser Wilhelm II. mit dem Eisernes Kreuz 2. Klasse 1914 und Eisernes Kreuz 1. Klasse 1914 ausgezeichnet. Die übrigen 20 Besatzungsmitglieder erhielten das Eisernes Kreuz 2. Klasse 1914. Das Boot SMS U 9 durfte fortan das Eiserne Kreuz am Turm führen. Knapp drei Wochen später, am 15.10., versenkte Weddigen vor Aberdeen den britischen Kreuzer HAWKE, wofür er vom Kaiser am 24.10.1914, als erster deutscher Marineoffizier überhaupt, mit dem Pour le Mérite, dem höchsten preußischen Orden, persönlich ausgezeichnet wurde. Nachdem in der Erklärung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges durch die Reichsregierung, zwar wider das Völkerrecht, aber in Reaktion auf die ebenfalls völkerrechtswidrige Blockade Deutschlands durch Großbritannien, ausdrücklich auch die Versenkung gegnerischer Handelsschiffe vorgesehen war, versenkte SMS U 9 unter Weddigen auch drei solcher Schiffe. Im Januar 1915 musste Weddigen sein Kommando wegen einer Verletzung an seinen 1. Wachoffizier Johannes Spieß abgeben. Nach seiner Genesung übernahm er am 13.02.1915 SMS U 29. Dieses Boot hatte, im Gegensatz zu dem Petroleumboot SMS U 9, Dieselmotoren. Am 10.03.1915 lief SMS U 29 von Zeebrugge zum ersten Einsatz unter Weddigen aus. Es erreichte sein Operationsgebiet in der Irischen See und konnte in den nächsten Tagen vier Schiffe mit 12.934 BRT versenken. Auf dem Rückmarsch, um Schottland herum, begegnete SMS U 29 am 18.03.1915, östlich des Pentland Firth (zwischen dem schottischen Festland und den Orkney-Inseln), der Grand Fleet. Diese war auf dem Heimweg zu ihrem Stützpunkt Scapa Flow. Nach einem Fehlschuss auf das Schlachtschiff NEPTUNE wurde das Periskop des U-Bootes auf dem Schlachtschiff DREADNOUGHT gesichtet. Es gelang Weddigen nicht mehr, rechtzeitig auf Tiefe zu gehen. Gegen 13:40 Uhr rammte die DREADNOUGHT das deutsche Boot, welches dabei für kurze Zeit mit dem Vorschiff an die Oberfläche schoss. Dabei wurde die Bootsnummer ausgemacht. Dann versank SMS U 29 und Otto Weddigen sowie seine gesamte Mannschaft fanden den Tod. Es war die einzige Kampfhandlung der DREADNOUGHT während des Ersten Weltkriegs. Der 1917/1918 gebaute und eingesetzte U-Boot-Kreuzer SMS U 140 erhielt den Namen Kapitänleutnant Weddigen.

Otto Weddigen wurde in Deutschland infolge seiner als sensationell empfundenen militärischen Erfolge als Kriegsheld gefeiert, seine Heimatstadt ernannte ihn mit 32 Jahren zum Ehrenbürger. Nach seinem als Heldentod glorifizierten frühen Ableben nahmen Verehrung und Legendenbildung nahezu hysterische Züge an, propagandistisch aufgeladen durch die kaisertreue Boulevardpresse. Bierkrüge, Medaillen, Wandteller und Porträtbüsten von ihm wurden massenhaft in Umlauf gebracht. Bald hieß es, in nahezu jedem deutschen Haushalt stehe ein Erinnerungsstück an Weddigen. Übertroffen wurde der Kult um den U-Boot-Kommandanten während des Ersten Weltkriegs später nur von dem am 21.04.1918 abgeschossenen Jagdflieger Manfred von Richthofen. Auch in der Weimarer Republik blieb die Erinnerung an den Marineoffizier lebendig. Heinz Paul drehte 1927 den Spielfilm "U 29 Weddigen" mit Carl de Vogt in der Hauptrolle. Unter nationalsozialistischer Herrschaft wurde das Andenken an den einstigen "Kriegshelden" noch einmal forciert, und es erschienen mehrere Biografien. An der Universität Kiel bildete der dortige Verein Deutscher Studenten zusammen mit anderen Studentenverbindungen 1933 eine Kameradschaft Otto Weddigen. Beim Wiederaufbau der deutschen U-Boot-Waffe wurde die erste neugegründete Flottille 1935 nach Weddigen benannt. Erster Chef wurde Karl Dönitz. Das Boot U 9 trug, wie Weddigens SMS U 9, das Eiserne Kreuz als Turmabzeichen. In dieser Zeit baute die Firma Leitz unter dem Markennamen Leica sowohl eine Unterwasserkamera als auch ein Prismenfernglas mit Namen WEDDIGEN.

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Otto Weddigen – anders als von Richthofen – außerhalb Marine-interessierter Kreise weitgehend in Vergessenheit. Anfang der 1950er Jahre erschienen bei Pabel-Moewig einige Heftromane rund um die SMS U 9 und Weddigen, u. a. 1953 "Mit Weddigen auf großer Kriegsfahrt". Bücher über Otto Weddigen wie auch Devotionalien der im Deutschen Reich erfolgten Heldenverehrung sind heute allenfalls in Antiquariaten und bei auf Militaria spezialisierten Flohmarkthändlern zu finden. Allerdings beginnen sich Forschung und Feuilleton im Zuge eines neu belebten Interesses an den Vorgängen des Ersten Weltkriegs auch wieder für die Person Otto Weddigen zu interessieren. In Herford ist an dem Geburtshaus Otto Weddigens in der Petersilien-/Ecke Frühherrenstraße eine Gedenktafel angebracht. Das Weddigenufer sowie das dort gelegene Freibad (heute H2O) an der Werre wurden nach ihm benannt. Auch die in der Stadt ansässige Marinekameradschaft Otto Weddigen erinnert an ihn. U 9 der Bundesmarine führte als Wappen ebenfalls das Eiserne Kreuz. Eine Pier im Marinestützpunkt Kiel heißt nach ihm Weddigen-Brücke. In Berlin wurden mehrere Straßen nach dem U-Boot-Kommandanten benannt, der Weddigenweg im Bezirk Steglitz-Zehlendorf existiert bis heute. Auch in Oberhausen-Sterkrade wurde 1936 die Thalstraße nach ihm umbenannt und heißt bis heute Otto-Weddigen-Straße. In Freiburg, Augsburg, Hannover, Aurich, Münster und Oldenburg sind ebenfalls Straßen nach ihm benannt. In der niederrheinischen Kleinstadt Neukirchen-Vluyn tragen drei Straßen einer 1919 erbauten Zechensiedlung seinen Namen (Weddigenplatz, Weddigenallee, Weddigenstraße). In Düsseldorf-Niederkassel trägt die Schützenkompanie Otto-Weddigen-Kompanie seit 1935 – dem im Dritten Reich groß gefeierten zwanzigsten Todesjahr des U-Boot-Kommandanten – seinen Namen. In dem privaten, öffentlich zugänglichen Museum U-Boot-Archiv in Cuxhaven ist der Otto-Weddigen-Raum nach ihm benannt.